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Fallbericht einer psychosomatischen Osteopathie

An osteopath wearing glasses and a dark shirt is applying pressure on the abdominal area of a person lying on a table. The patient, clad in dark shorts, gazes upwards against a plain white background—a scene from a psychosomatische Osteopathie session.
Fallbericht einer psychosomatischen Osteopathie

Zusammenfassung

Ätiologische Faktoren, Risikofaktoren und Wirkmechanismen von Beschwerden, Heilreaktionen und somato-physiologische Erlebnis-Kontext-Dysfunktionsmuster kennzeichnen die spezifischen Behandlungsansätze im Rahmen der psychosomatischen Osteopathie (PSO). Das Fallbeispiel eines Sportlers, der Leistungseinbußen zu beklagen hat, soll das therapeutische Prinzip der PSO exemplarisch vorstellen.

Schlüsselwörter

Person-Kontext-Beziehung, Adaptivität, Proaktivität, Dysfunktionsdynamik, Koregulation und Feedbackschleifen, somatische Dysfunktion

Abstract

Etiological factors, risk factors and mechanisms of action of afflictions, healing reactions and somato-physiological experience-context-dysfunction patterns characterize the specific treatment approaches within the framework of psychosomatic osteopathy (PSO). The case study of an athlete who suffered performance losses is intended to exemplify the therapeutic principle of PSO.

Keywords

person-context relationship, adaptivity, proactivity, dysfunction dynamics, coregulation and feedback loops, somatic dysfunction

 

Ein Patient kam aufgrund von Leistungsminderung beim Halbmarathon und verstärktem Schlafbruxismus in die Praxis. Diese traten seit mehreren Monaten auf.

Der Patient zeigte leicht verminderte Rezeptorenafferenz im Dermatomfeld des N. femoralis des rechten Beins und minimal verminderte Kraft des M. rectus femoris. Das könnte eine Erklärung für mögliche Einbußen in verschiedenen zerebralen Kartografierungen sein, mit der möglichen Folge von verminderter neuronaler Belastbarkeit des N. femoralis, veränderter arthrokinematischer Reflexaktivität, Kraftübertragung und faszialer Spannung des rechten Beins, die sich in der Verlangsamung seiner Laufzeiten äußerten.

Die Befunde im Lig. inguinale waren unauffällig; mögliche Engpässe nicht zu finden. Der M. psoas rechts zeigte Einschränkungen in der Extension und einen leicht erhöhten Tonus.

Könnte das die Einbußen des N. femoralis erklären? War das die Ursache und das Problem durch neuronale Entlastung und Behandlung des M. psoas zu lösen?

In der weiteren Untersuchung zeigten sich ein deutlicher Druckschmerz des terminalen Ileums, der Iliozäkalklappe, der Region des Zäkums und des inferioren Colon ascendens.

War das die Ursache für die erhöhte Psoasspannung die Extensionseinschränkung in der rechten Hüfte und eine viszerale Behandlung indiziert?

Die Mikrobiomuntersuchung ergab deutlich erhöhte Alpha-1-Antitrypsinwerte und stark verminderte Werte des gramnegativen Bakteriums Akkermansia muciniphila.

Ist also eine probiotische Behandlung angezeigt?

Auffällig war sein sehr gutes Ernährungsverhalten, bis auf – seit etwa 5 Monaten – einen abendlichen Konsum einer halben Flasche Rotwein und von zwei Tafeln Schokolade.

Sollte also eine Ernährungsintervention durchgeführt werden?

Da ansonsten keinerlei Zucker und kaum Getreideprodukte konsumiert wurden, weist dies eher auf eine emotionale Bedürftigkeit hin, die sich abends zeigte, denn auf eine Leptin- oder Insulinresistenz. Tatsächlich trennte sich seine langjährige Lebenspartnerin vor 6 Monaten von ihm. Dies führte bei ihm zu einer emotionalen Belastung von 9,5 von 10. Diese numerische Feedback-Skala zur subjektiven Selbsteinschätzung der Belastungsintensität durch Patienten zwischen keine Belasung (NFS = 0) und Belastung maximal vorstellbarer Ausprägung (NFS = 10). Auf Nachfrage bestätigte er seit einigen Monaten nächtliches saures Aufstoßen und Brennen hinter dem Sternum. Reflux kann mit einer Prävalenz von 74% zu Schlafbruxismus führen.

Die diagnostische Frage, die ich mir stellte: Welche Systeme und Funktionseinheiten zeigen einen Verlust an Adaptationsfähigkeit, und sind diese noch funktionell oder bereits anatomisch? Welche Kontexte könnten möglicherweise dafür eine Rolle spielen? Welches sind die spezifischen dysfunktionellen Wirkmechanismen – die Big Players – in diesem Patienten? Welche osteopathischen Zugänge könnten eine Verbesserung von Flexibilität im Patienten ermöglichen?

Die palpatorische Annäherung beruht auf dem Vier-Level-Fokus:

  • Clinical Reasoning: Die Erkennungsmusterdiagnostik beruht auf der Synthese, konstanter Reflexion und Verinnerlichung vergangener klinischer Erfahrungen.
  • Open Mind: Hier steht die Offenheit im Vordergrund, dass für den Therapeuten noch nicht bekannte Wechselbezüge jeglicher Art in diesem individuellen Patienten vorliegen und Bedeutung für die Heilung haben könnten.
  • Open Heart: Damit ist eine empathische Wahrnehmung, ein „Mitfühlen“ gemeint, sodass die innere und äußere Welt quasi durch die Augen des Patienten für den Therapeuten erfahrbar wird.
  • Hier und Jetzt: Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit und Intention im Hier und Jetzt zu verorten, heißt, einen möglichst großen Anteil der Physiologien sowie der afferenten und efferenten Bewusstseinsinhalte auf die Behandlungsinteraktion mit dem Patienten zu richten.

Schließlich wurde der Patient in drei Sitzungen mittels der multimodalen bifokalen Integration behandelt, in deren Verlauf sich die emotionale Last auf 2 von 10 verminderte. Sein abendlicher Konsum von Rotwein und Schokolade reduzierte sich recht schnell. Außerdem wurde die Hüfte, der M. psoas, die rechte Darmregion, der Ösophagus und ein dysfunktioneller Utriculus behandelt.

Seine Afferenzen im Dermatom des rechten N. femoralis normalisierten sich innerhalb von 1 Monat und seine Laufzeiten innerhalb von 3 Monaten. Auch der Schlafbruxismus reduzierte sich deutlich.

Sicherlich kann die oben beschriebene von mir vorgenommene Korrelation von Befunden auch Koinzidenz sein und auf Scheinkausalität beruhen. Damit leben Kliniker*innen.

Dennoch: Ist es immer so einfach und klar? Sicherlich nicht.

Die Identifizierung, Differenzierung und Relativierung klinischer Muster, die Einbeziehung von Kontextfaktoren, die Verminderung von Risikofaktoren, die Inhibition von dysfunktionellen Mustern, die Förderung von Ressourcen und der Proaktivität der Patient*innen erlauben jedoch häufig eine tiefgreifende und anhaltende Verbesserung.

Ich wünsche Ihnen von Herzen viel Erfüllung und Erfolg beim Praktizieren.

Interview

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