Lunghi, C.; Baroni, F.; Amodio, A.; Consorti, G.; Tramontano, M.; Liem, T. Patient Active Approaches in Osteopathic Practice: A Scoping Review. Healthcare 2022, 10, 524. https://doi.org/10.3390/healthcare10030524
Osteopathie, als eine manuelle Therapieform, lässt sich als eine ganzheitliche, patientenzentrierte Heilmethode definieren, welche durch Berührungen die gesundheitserhaltenen Prozesse im menschlichen Körper fördert. Im Zentrum steht die sog. somatische Dysfunktion (SD), welche sich in unterschiedlichen Körperregionen präsentiert (Tramontano et al. 2020, 2020, 2021). Neben der körperlichen Behandlung enthält die osteopathische Ausbildung auch weitere Themen der Gesundheitsförderung, darunter körperliche Aktivität, Lebensstil und Ernährung (Van Dun et al. 2016, Mistry et al. 2018).
Veränderungen in diesen Bereichen unterstützen die vollständige Genesung von PatientInnen, indem sie die individuelle Coping-Strategien verbessern. Aktive osteopathische Techniken sowie dynamische Bewegungsaufgaben können so das Management der vorliegenden SD unterstützen und das individuelle Energieniveau modulieren (Lederman 2005. Lunghi et al. 2016). Die osteopathische Behandlung integriert neben passiven Techniken auch aktive Therapiemethoden (sog. patientenaktive osteopathische Ansätze (PAOAs)).
Die bisherige Forschung zur osteopathischen Manipulationstherapie (OMT) akzentuierte häufig passive Techniken, weshalb es wenig evidenz-basierte Aussagen zur Funktionsweise von PAOAs gibt. Dieser Forschungslücke haben sich Lunghi und KollegInnen in einem Scoping-Review angenommen, indem Sie die vorhandene Literatur in Bezug auf Funktionsweise und Grundsätze der PAOAs bewertet haben. Eine Beschreibung der verwendeten Methodik, die Ergebnisse und praktische Empfehlungen zur Integration in Patientenmanagementstrategien finden Sie in diesem Artikel.
Methodik:
Für die systematische Erstellung des Scoping-Reviews haben die ForscherInnen zunächste die Forschungsfrage formuliert, um das Themenfeld der PAOAs konzeptionell von der passiven Literatur abzugrenzen. Die Forschungsfrage beschäftigt sich mit der Funktionsweise und den Prinzipien der PAOA und ihre Integration in Patientenmanagementstrategien. Danach wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt und die Ergebnisse der relevanten Studien dargestellt.
Mithilfe der „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Extension
of Meta-Analyses for Scoping Reviews“ (PRISMA)-Checkliste wurden die Studien auf ihre Relevanz überprüft.
Die Systematik der Recherche zeigt sich in der Festlegung der Suchbegriffe und der verwendeten Operatoren, was eine Reproduzierbarkeit der Suchstrategie gewährleistet. Eine Darstellung der Suchstrategie der durchgeführten Literaturrecherche finden Sie in der untenstehenden Tabelle:
Neben der körperlichen Behandlung enthält die osteopathische Ausbildung auch weitere Themen der Gesundheitsförderung, darunter körperliche Aktivität, Lebensstil und Ernährung (Van Dun et al. 2016, Mistry et al. 2018).
Veränderungen in diesen Bereichen unterstützen die vollständige Genesung von PatientInnen, indem sie die individuelle Coping-Strategien verbessern. Aktive osteopathische Techniken
Ansätze der patientenaktiven Osteopathie
- Faszienorientierter aktiver Ansatz
Eine sitzende Lebensweise wirkt sich auf die Elastizität des Bindegewebes aus, indem sie zu einer multidirektionalen Orientierung der Fibrillen und damit einer hohen Querfestigkeit beiträgt. Gleichzeitig wird die Fähigkeit physischen und elektrischen Verbindungen einzugehen, verringert. Diese Prozesse kehren sich durch körperliche Aktivität um.
Der faszienorientierte aktive Ansatz nach Schleip und Müller umfasst Faszien-Remodeling (=Reaktion des Netzwerks der Kollagenfasern auf mechanische Reize), Faszien-Recoil (=elastische Geweberückkehr durch aktive Übungen), dynamisches Dehnen (langfristige Übungen, die die Faszienelastizität erhöhen) und Faszienwahrnehmung (zur Schärfung des Körperbewusstseins) als zentrale Prinzipien. Vor allem das Faszien-Remodeling sowie die Bindegewebsstruktur im Allgemeinen können durch aktives Faszientraining, das 1-2 mal/Woche regelmäßig ausgeführt wird, positiv beeinflusst werden (Schleip und Müller 2013).
- Integrierte mentale Bilder und Übungen
Das interozeptive Körperbewusstsein, inklusive der Wahrnehmung der Stellung der Körperteile im Raum, wird durch das muskuloskelettale System erzeugt. Dieses Wissen sollte den PatientInnen vermittelt werden und in die praktische, erfahrungsbezogene Körperarbeit integriert werden (Calsius et al. 2016).
Mentale Bilder oder Imagination als Trainingsmethode wirken sich nachweislich positiv auf die motorische und kognitive Leistung aus und aktivieren das Gehirn in ähnlicher Weise, wie eine physische Bewegung dies tut.
Diese Methodik in Kombination mit manueller Behandlung sowie aktiven Übungen ist in der Lage die Schmerzkontrolle, die motorischen Fähigkeiten und die Stimulation der Motoneuronen und nicht-motorische Leistungsaspekte zu verbessern. Weiterhin kann sie das Selbstvertrauen stärken und Ängste mindern (Abraham et al. 2020).
Die Osteopathie arbeitet bereits mit mentalen Bildern (Dorko 2003, Minasny 2009), z.B. beim Faszienabrollen. Dabei wird das Bindegewebe langsam ausgestrichen, während gleichzeitig eine Imaginationsübung durchgeführt wird mit dem Ziel die Interozeption zu verbessern. Besonderes Augenmerk liegt hier auf der Wahrnehmungsschulung einer zu lösenden myofaszialen Spannung oder einer auszuführenden motorischen Bewegung.
Die Technik wird folgendermaßen ausgeführt: Der/die OsteopathIn gibt einen leichten Widerstand in die Bewegung, was von den PatientInnen durch die aktive und sanfte „manuelle Übertragung“ wahrgenommen wird. Unterstützend können die TherapeutInnen die Hände in der betroffenen Region auflegen (Dorko 2003). Diese sog. Work-in-Methode kann in Kombination mit mentalen Bildern oder allein die durch den Parasympathikus vermittelten Zustand der Entspannung fördern (Wallden 2012).
- Achtsamkeitsbasierte sportliche Aktivität
Wie oben beschrieben, arbeitet die Osteopathie mit der Interozeption, welche ein gewisses Maß an Achtsamkeit (für den eigenen Körper) erfordert. Für eine gelungene Behandlung müssen dafür TherapeutInnen und PatientInnen gleichermaßen achtsam agieren. Mit dem Begriff Achtsamkeit ist hier gemeint, sanft die Aufmerksamkeit auf gegenwärtige Erfahrungswahrnehmungen, wie Gedanken, Emotionen und Empfindungen, zu lenken ohne diese zu bewerten (Liem et Lunghi 2021). In der osteopathischen Praxis werden simultan zur achtsamkeitsbasierten Praxis „Schwingungen, Vibrationen und spontane myofasziale und neurogene Erschütterungen eingesetzt, um Stress abzubauen und die Homöostase des Körpers wiederherzustellen“ (Comeaux 2005, Liem et Lunghi 2021).
- Gamifizierung und Problemlösung im interaktiven dyadischen Ansatz
Die Körperwahrnehmungssysteme versorgen das Gehirn mit Informationen, welche dieses nutzt, um sich ein Bild über die äußere und innere Umgebung zu machen und bei der Planung sowie Durchführung folgender Aktivitäten. Die Entstehung von Krankheiten wird z.T. durch Fehler bei der Verarbeitung und Integration multisensorischer Körpersignale bedingt, was zu pathophysiologischen Regulationsprozessen führt.
Gamifizierung bzw. Spielifizierung bezeichnet die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext. So kann eine teamorientierte, geduldige Problemlösungs-atmosphäre entstehen, in der Herausforderungen aufgabenorientiert gelöst werden können.
OsteopathInnen können z.B. Metaphern zur Beschreibung einer Routinetechnik einsetzen, um Informationen zu subkortikalisieren. Es sollte jedoch strikt auf angemessenes Vokabluar geachtet werden, um Katastrophisierungen zu vermeiden. Insgesamt wird die Aufmerksamkeit der Bewegung geschenkt und nicht auf die Aktivierung der einzelnen Muskeln gelenkt. Dies fördert wiederum die Interozeption, was Fehlregulationen durch das Gehirn vorbeugen.
PAOAs fußen zudem auf der Beziehung der behandelnden sowie behandelten Person und schaffen die sichere Umgebung, um Verhaltensänderungen anzustoßen (Liebenson 2018). Diese Beziehung kann durch einen interaktiven dyadischen Ansatz vertieft werden.
Fazit
Die vorgestellten Ansätze umfassen motorische, kognitive und verhaltenstherapeutische Strategien. Lunghi und KollegInnen schlagen anhand dieser Ergebnisse vor, diese Strategien in den patientenaktiven osteopathischen Ansatz zu integrieren, denn dadurch könne eine neuromyofasziale und gewebliche Re-Modellierung angestoßen, das Körperbild und die Körperwahrnehmung moduliert und Stress besser bewältigt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass PAOAs einen wichtigen Beitrag zur patientenzentrierten Versorgung und zur Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit leisten kann. Jedoch sind zukünftige Studien und Konsens-Workshops erforderlich, um einen gemeinsamen Rahmen für eine evidenzbasierte osteopathische Praxis zu entwickeln, die den Patienten als aktiven Teil der Behandlung einbezieht (Lunghi et al. 2022).
Patient-active osteopathy
Osteopathy, as a form of manual therapy, can be defined as a holistic, patient-centred healing method that uses touch to promote health-maintaining processes in the human body. The focus is on the so-called somatic dysfunction (SD), which presents itself in different regions of the body (Tramontano et al. 2020, 2020, 2021). In addition to physical treatment, osteopathic education also includes other health promotion topics, including physical activity, lifestyle and nutrition (Van Dun et al. 2016, Mistry et al. 2018).
Changes in these areas support patients‘ full recovery by improving individual coping strategies. Active osteopathic techniques as well as dynamic movement tasks can thus support the management of the presenting SD and modulate individual energy levels (Lederman 2005. Lunghi et al. 2016). Osteopathic treatment integrates active therapeutic methods (so-called patient-active osteopathic approaches (PAOAs)) in addition to passive techniques.
Previous research on osteopathic manipulative therapy (OMT) often accentuated passive techniques, which is why there are few evidence-based statements on how PAOAs work. Lunghi and colleagues addressed this research gap in a scoping review by assessing the existing literature in relation to the functioning and principles of PAOAs. A description of the methodology used, the findings and practical recommendations for integration into patient management strategies can be found in this article.
Methodology:
For the systematic scoping review, the researchers first formulated the research question to conceptually delineate the topic area of PAOAs from the passive literature. The research question addresses the functioning and principles of PAOAs and their integration into patient management strategies. A systematic literature review was then conducted and the results of relevant studies were presented.
With the help of the „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Extension
of Meta-Analyses for Scoping Reviews“ (PRISMA) checklist, the studies were checked for their relevance.
The systematic nature of the search is reflected in the definition of the search terms and the operators used, which ensures the reproducibility of the search strategy. An illustration of the search strategy of the literature search conducted can be found in the table below:
In addition to physical treatment, osteopathic education also includes other health promotion
Approaches of patient-active osteopathy
- fascia-oriented active approach
A sedentary lifestyle affects the elasticity of connective tissue by contributing to a multidirectional orientation of fibrils and thus high transverse strength. At the same time, the ability to form physical and electrical connections is reduced. These processes are reversed through physical activity.
The fascia-oriented active approach according to Schleip and Müller includes fascia remodelling (=reaction of the network of collagen fibres to mechanical stimuli), fascia recoil (=elastic tissue return through active exercises), dynamic stretching (long-term exercises that increase fascia elasticity) and fascia awareness (to sharpen body awareness) as central principles. Above all, fascia remodelling as well as connective tissue structure in general can be positively influenced by active fascia training performed regularly 1-2 times/week (Schleip and Müller 2013).
- integrated mental images and exercises
Interoceptive body awareness, including the perception of the position of body parts in space, is generated by the musculoskeletal system. This knowledge should be taught to patients and integrated into practical, experiential bodywork (Calsius et al. 2016).
Mental imagery or imagination as a training method has been shown to have a positive effect on motor and cognitive performance, activating the brain in a similar way that physical movement does.
This methodology in combination with manual treatment as well as active exercises is able to improve pain control, motor skills and stimulation of motor neurons and non-motor performance aspects. Furthermore, it can increase self-confidence and reduce anxiety (Abraham et al. 2020).
Osteopathy already works with mental images (Dorko 2003, Minasny 2009), e.g. in fascia rolling. Here, the connective tissue is slowly stretched out, while at the same time an imagination exercise is carried out with the aim of improving interoception. Special attention is given here to training the perception of a myofascial tension to be released or a motor movement to be performed.
The technique is performed as follows: The osteopath gives a slight resistance to the movement, which is perceived by the patient through the active and gentle „manual transmission“. In support, the therapists can place their hands in the affected region (Dorko 2003). This so-called work-in method, in combination with mental imagery or alone, can promote the state of relaxation mediated by the parasympathetic nervous system (Wallden 2012).
- mindfulness-based physical activity
As described above, osteopathy works with interoception, which requires a certain degree of mindfulness (for one’s own body). For a successful treatment, therapists and patients alike need to act mindfully. The term mindfulness here refers to gently directing attention to present experiential perceptions, such as thoughts, emotions and sensations, without evaluating them (Liem et Lunghi 2021). In osteopathic practice, simultaneous to mindfulness-based practice, „oscillations, vibrations and spontaneous myofascial and neurogenic shocks are used to reduce stress and restore homeostasis to the body“ (Comeaux 2005, Liem et Lunghi 2021).
- gamification and problem solving in an interactive dyadic approach
The body perception systems provide the brain with information that it uses to form a picture of the external and internal environment and in planning and carrying out subsequent activities. The development of diseases is partly caused by errors in the processing and integration of multisensory body signals, which leads to pathophysiological regulation processes.
Gamification refers to the application of game-typical elements in a non-game context. This can create a team-oriented, patient problem-solving atmosphere in which challenges can be solved in a task-oriented way.
Osteopaths can, for example, use metaphors to describe a routine technique in order to subcorticalise information. However, strict attention should be paid to appropriate vocabulary to avoid catastrophising. Overall, attention is given to the movement and not to the activation of individual muscles. This in turn promotes interoception, which prevents misregulation by the brain.
PAOAs are also based on the relationship between the person treating and the person being treated, creating a safe environment to initiate behaviour change (Liebenson 2018). This relationship can be deepened through an interactive dyadic approach.
Conclusion
The approaches presented include motor, cognitive and behavioural strategies. Based on these findings, Lunghi and colleagues suggest integrating these strategies into the patient-active osteopathic approach, as this can trigger neuromyofascial and tissue remodelling, modulate body image and body perception, and better manage stress.
In summary, PAOAs can make an important contribution to patient-centred care and to improving interprofessional collaboration. However, future studies and consensus workshops are needed to develop a common framework for evidence-based osteopathic practice that includes the patient as an active part of the treatment (Lunghi et al. 2022).
Literatur
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